Flexiblere Arbeitszeiten in der Langzeitpflege: Das Projekt Pflege:Zeit als Wegweiser
Die Pflegebranche steht vor massiven Herausforderungen. Hohe Arbeitsbelastung, Fachpersonenmangel und starre Schichtmodelle belasten die Pflegefachpersonen. Doch was wäre, wenn sich Arbeitszeiten flexibler gestalten ließen? Genau das untersucht das Projekt Pflege:Zeit, das von der MA&T Sell & Partner GmbH koordiniert und in Zusammenarbeit mit dem Institut Arbeit und Technik der Westfälischen Hochschule Gelsenkirchen sowie der Sozial-Holding der Stadt Mönchengladbach durchgeführt wird. Gefördert wird es im Rahmen der Initiative Neue Qualität der Arbeit (INQA) durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und fachlich von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) begleitet. Ziel ist es, lebensphasengerechte und bedarfsorientierte Arbeitszeitmodelle in der stationären Langzeitpflege zu entwickeln und zu erproben, um die Zufriedenheit der Mitarbeitenden zu steigern und die Versorgungsqualität zu sichern.
Warum überhaupt flexiblere Arbeitszeiten?
Der Pflegeberuf hat sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert. Einst galten starre Schichtpläne als Norm, doch die Bedürfnisse der Pflegefachpersonen haben sich gewandelt. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, individuelle Bedarfe und die gestiegene Arbeitsintensität fordern neue Modelle. Hier setzt Pflege:Zeit an und untersucht, ob flexible Arbeitszeitmodelle die Arbeitszufriedenheit steigern und zugleich die Versorgungsqualität sichern können.
"Pflege war schon immer flexibel, aber jetzt geht es darum, diese Flexibilität sinnvoll zu gestalten – für die Menschen, die wir versorgen, und für die, die sie versorgen." – Helmut Wallrafen
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Die Besonderheit der stationären Altenpflege
Die stationäre Altenpflege unterscheidet sich grundlegend von anderen Pflegebereichen. Während in der Akutpflege der Fokus oft auf der schnellen medizinischen Versorgung liegt, steht in der Altenpflege die kontinuierliche Betreuung und Beziehungsarbeit im Mittelpunkt. Pflegefachpersonen begleiten die Bewohner:innen über einen langen Zeitraum, wodurch eine enge Vertrauensbasis entsteht. Dies stellt besondere Anforderungen an die Arbeitsorganisation, da ein hohes Maß an Verlässlichkeit und emotionaler Kompetenz gefragt ist. Gleichzeitig sind die Herausforderungen groß: Der hohe Personalmangel trifft diesen Bereich besonders hart und der Spagat zwischen individuellen Bedürfnissen der Pflegefachpersonen und der konstanten Versorgung der Bewohner:innen erfordert innovative Lösungsansätze.
Experimentierraum: Dienstplanung im Team
Ein Kernaspekt des Projekts ist die kooperative Dienstplanung. Statt dass Vorgesetzte allein den Dienstplan festlegen, werden Pflegefachpersonen aktiv in den Prozess eingebunden. Die Idee: Wer seine eigene Arbeitszeit mitgestalten kann, empfindet weniger Druck und arbeitet motivierter. Erste Ergebnisse zeigen jedoch, dass es einer klaren Moderation und Transparenz bedarf. Denn nicht jede:r hat die Expertise oder den Überblick, um Dienstpläne effizient zu gestalten. Trotzdem berichten die Beteiligten, dass sie sich ernster genommen und wertgeschätzt fühlen.
Mobiles Arbeiten in der Pflege?
Ein weiterer Bestandteil besteht aus der Möglichkeit des mobilen Arbeitens. In der Pflege klingt das zunächst paradox, doch viele Aufgaben, etwa Dokumentationen, Pflegeplanungen oder Teambesprechungen, können ortsunabhängig erledigt werden. Ein ausgewählter Personenkreis testet aktuell, inwiefern mobiles Arbeiten in der Praxis funktionieren kann. Erste Erfahrungen zeigen, dass Pflegefachpersonen sich ungestörter und effizienter um Dokumentationen kümmern können. Gleichzeitig besteht aber die Herausforderung, neue Regeln für Datenschutz und Arbeitszeiten zu definieren.
"Wir erleben, dass Mitarbeitende das mobile Arbeiten als große Entlastung wahrnehmen. Gleichzeitig brauchen wir klare Regeln für Datenschutz und Arbeitszeitgrenzen." – Lena-Marie Wirth
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Flexibilisierung: Mehr als ein Buzzword
Die Debatte um New Work in der Pflege ist oft von der Frage geprägt: Geht es um tatsächliche Verbesserungen oder nur um ein Krisenmanagement aufgrund des Fachpersonenmangels? Die Antwort ist nicht einfach. Die Nachfrage nach Pflegefachpersonen übersteigt das Angebot deutlich. Ohne attraktive Arbeitsmodelle werden immer mehr Menschen dem Beruf den Rücken kehren. Doch eine reine Personallücken-Politik kann keine nachhaltige Lösung sein. Pflege:Zeit zeigt, dass Flexibilisierung nicht nur den Arbeitgebern, sondern auch den Pflegefachpersonen und letztlich den pflegebedürftigen Menschen zugutekommt.
Organisationale Resilienz: Pflegeeinrichtungen stärken
Das Konzept der organisationalen Resilienz spielt eine zentrale Rolle im Projekt. Eine resiliente Organisation passt sich Veränderungen an, ohne an Effizienz oder Qualität einzubüßen. Flexible Arbeitszeitmodelle könnten eine Lösung sein, um Einrichtungen besser auf Krisen vorzubereiten. Doch Resilienz funktioniert nur, wenn nicht nur die Pflegefachpersonen, sondern auch die gesamte Institution mitzieht.
Fazit: Ein Modell für die Zukunft?
Pflege:Zeit ist ein vielversprechendes Projekt, das zeigt, wie sich Arbeitszeitflexibilisierung in der Langzeitpflege praktisch umsetzen lässt. Es gibt Herausforderungen, etwa im Bereich Dienstplanung oder Datenschutz, doch die ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass neue Arbeitszeitmodelle positive Effekte auf Arbeitszufriedenheit und Versorgungssicherheit haben können.
Ob sich solche Modelle flächendeckend durchsetzen, hängt nicht zuletzt von der Politik ab. Denn gesetzliche Rahmenbedingungen müssen sich anpassen, damit innovative Arbeitsmodelle nicht an veralteten Vorgaben scheitern. Pflege:Zeit könnte der erste Schritt in eine neue Arbeitswelt der Pflege sein – eine, in der die Bedürfnisse der Pflegefachpersonen ebenso ernst genommen werden wie die der Pflegebedürftigen.
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