Wir sprechen mit verschiedenen Vertreter*innen aus Politik, Wissenschaft und Bildung. Darüber hinaus hört Ihr Stimmen von Besuchenden und Referent*innen.
Hört auch unbedingt am Samstag die 150. Folge der Übergabe: Live vom Deutschen Pflegetag mit Christel Bienstein zum Thema "Was steht auf der pflegepolitischen Agenda?" - das dürft Ihr nicht verpassen.
Viel Spaß mit dieser Folge und den weiteren vom Deutschen Pflegetag.
Schaut auch auf unserem YouTube Kanal vorbei!
Pflege im Wandel: Herausforderungen und Chancen einer Berufung
Der Pflegeberuf steht vor weitreichenden Veränderungen. Neben alltäglichen Herausforderungen beschäftigt sich die Pflegebranche zunehmend mit Fragen der Politik und den Möglichkeiten, wie Pflegefachpersonen stärker und eigenverantwortlicher agieren können. Der Deutsche Pflegetag hat sich einmal mehr als ein zentraler Treffpunkt etabliert, an dem Themen wie Pflegekompetenz, neue Berufsbilder und rechtliche Reformen diskutiert wurden.
Die Rolle des Deutschen Pflegetags
Der Deutsche Pflegetag ist mittlerweile zu einem wichtigen Ort geworden, an dem aktuelle Herausforderungen und Zukunftsperspektiven im Pflegebereich zusammengeführt werden. Pflegefachpersonen, politische Akteur:innen und Vertreter:innen verschiedener Organisationen treffen sich hier, um Ideen zu sammeln und in die Diskussion zu bringen. Mit spannenden Vorträgen und Diskussionsrunden bietet der Pflegetag eine Plattform für den Austausch über Probleme, Erfolge und die Weiterentwicklung der Pflegeberufe.
Pflegekompetenz: Das neue Gesetz als Hoffnungsträger?
Einer der zentralen Punkte in der Diskussion war das Pflegekompetenzgesetz. Dieses Gesetz soll festlegen, dass Pflegefachpersonen mehr Verantwortung übernehmen können. Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates, drückte aus, wie entscheidend dieses Gesetz für die Zukunft der Pflege sei: „Jeder Tag, an dem das Pflegekompetenzgesetz nicht auf den Weg gebracht wird, ist ein verlorener Tag für die Versorgung der Menschen.“ Denn das Gesetz sieht vor, dass Pflegefachpersonen verstärkt in die Entscheidungsprozesse in der Gesundheitsversorgung eingebunden werden und Verantwortung für spezifische pflegerische Handlungen übernehmen können.
Doch der aktuelle politische Stillstand bedroht dieses Ziel. Durch die Unsicherheiten auf Bundesebene wurde die Umsetzung des Gesetzes erneut verschoben. Dabei wären klare und einheitliche Qualifikationsstandards für Pflegeberufe dringend notwendig, wie auch andere Sprecher:innen betonten. Die Implementierung eines einheitlichen Bildungsprojekts für Pflege könnte dafür sorgen, dass Pflegefachpersonen bundesweit aufeinander abgestimmte Qualifikationen erhalten und so flexibler eingesetzt werden können.
Pflegewissenschaft und Advanced Practice Nursing (APN)
In Deutschland wird auch über das Thema „Advanced Practice Nursing“ (APN) zunehmend diskutiert. APN beschreibt ein weiterentwickeltes Pflegeverständnis, das spezialisierte, akademisch qualifizierte Pflegefachpersonen miteinbezieht, die eigenständige Rollen in der Patient:innenversorgung übernehmen können. Diese neue Art der Fachkompetenz soll nicht nur die Patient:innenversorgung aufwerten, sondern auch dazu beitragen, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. APNs könnten eine größere Bandbreite an Aufgaben übernehmen.
Ein Master-Abschluss für APN bringt Studierende jedoch auch vor Herausforderungen, wie Markus Münch von der FH Münster betonte: „Die Praxis hat das Potenzial noch nicht ausreichend erkannt“. In den Kliniken sind die Rahmenbedingungen für APN in Deutschland noch nicht flächendeckend geschaffen, weshalb der Berufseinstieg oft mit Unsicherheiten verbunden ist.
Veränderte politische Rahmenbedingungen: Pflege auf wackeligem Boden
Die jüngsten politischen Entwicklungen beeinflussen die pflegerische Berufspraxis auf allen Ebenen. Karl Lauterbach, Gesundheitsminister, betonte auf dem Pflegetag die Bedeutung der Pflegekompetenz und die Notwendigkeit, weiter an der gesetzlichen Stärkung der Pflegeberufe zu arbeiten. „Der Pflegerat bleibt der zentrale Ansprechpartner für die Beratung unserer Gesetze,“ hob Lauterbach hervor. Die politische Zusammenarbeit zwischen den Ministerien und dem Deutschen Pflegerat wird als essentiell angesehen, um die Pflege in Deutschland langfristig zu stärken. Doch die Frage bleibt, wie schnell sich die politische Landschaft stabilisiert und wie bald Gesetzesentwürfe wieder in Angriff genommen werden können.
Herausforderungen im Klinikalltag: Zwischen Strukturreform und Fachkräftemangel
Die Pflege in den Krankenhäusern steht vor zahlreichen Problemen. Der Fachkräftemangel wird zunehmend spürbar und die angestrebte Krankenhausreform trägt vielerorts zur Verunsicherung bei. Arne Evers, Pflegedirektor im St. Josefs Hospital, beschreibt die momentane Situation als eine Phase des „Überlebens“: „Das Gesamtkonglomerat aus Krankenhausstrukturreform und Finanzierungslücken ist ein Thema, das präsent ist.“ In vielen Kliniken sind die finanziellen Rahmenbedingungen angespannt, was zusätzliche Belastungen für das Pflegepersonal bedeutet.
Um den Fachkräftemangel zu begegnen, wird zunehmend auf internationale Pflegefachpersonen gesetzt. Hierbei stellt sich jedoch die Frage nach der ethischen Verantwortung. Denn einerseits profitiert Deutschland von der Anwerbung internationaler Fachkräfte, andererseits kann dies für die Herkunftsländer zu erheblichen Problemen in der Gesundheitsversorgung führen.
Die Bedeutung von Berufsverbänden und Pflegekammern
Um die Interessen der Pflegefachpersonen zu stärken, haben sich verschiedene Berufsverbände und Pflegekammern gebildet, die sich für bessere Arbeitsbedingungen und die Anerkennung des Berufsstands einsetzen. Die Landespflegekammer Rheinland-Pfalz etwa spielt eine zentrale Rolle in der Beratung der Landespolitik und entwickelt Weiterbildungsordnungen, die Pflegefachpersonen eine kontinuierliche berufliche Entwicklung ermöglichen sollen. Doch die Pflegekammern stehen auch vor Herausforderungen: Noch immer wird von vielen Pflegefachpersonen nicht ausreichend wahrgenommen, dass sie selbst aktiv zur Verbesserung ihrer beruflichen Lage beitragen können.
Vera Lux, Präsidentin des DBFK, sieht in der Einbindung der jungen Generation eine große Chance: „Es gibt viele junge Menschen, die sich für die Pflege engagieren und ich hoffe, dass wir diese engagierten Personen weiterhin in unsere Arbeit einbinden können.“
Patient:innensicherheit als zentrale Verantwortung
Eine der wichtigsten Aufgaben im Pflegeberuf ist die Sicherstellung der Patient:innensicherheit. Das Aktionsbündnis Patientensicherheit (APS) fordert die Bundesregierung auf, ein bundesweites „Never-Event-Register“ einzuführen, in dem Fehler und kritische Ereignisse dokumentiert werden. Ein solches Register soll es ermöglichen, aus Fehlern zu lernen und so die Qualität der Versorgung nachhaltig zu verbessern. Bernd Gruber vom APS machte deutlich, dass der offene Umgang mit Fehlern zu einer besseren Patient:innensicherheit beitragen kann: „Fehler passieren. Wichtig ist, dass wir darüber reden.“ Um dieses Ziel zu erreichen, hat das APS eine Petition zur Schaffung von Rahmenbedingungen zur Förderung bzw. zum Ausbau der Sicherheit der Patient:innen in der Gesundheitsversorgung erstellt und bittet um Unterstützung.
Der Ausblick: Pflege als Beruf mit Zukunft
Trotz aller Herausforderungen bleibt der Pflegeberuf ein Berufsfeld mit hohen Zukunftschancen. Die Einführung von Gesetzen wie dem Pflegekompetenzgesetz könnte der Pflegebranche zu neuer Stärke und mehr Eigenverantwortung verhelfen. Gleichzeitig wird die Pflegewissenschaft weiterhin an Bedeutung gewinnen und den Weg für spezialisierte Pflegefachpersonen ebnen.
Die Teilnehmer:innen des Deutschen Pflegetags betonten abschließend die Notwendigkeit, den Beruf der Pflegefachpersonen sowohl in der Politik als auch in der Gesellschaft stärker zu verankern und die Pflege als eigenständige Profession weiterzuentwickeln.
Shownotes:
- Deutscher Pflegetag in Berlin (deutscher-pflegetag.de)
- Deutscher Pflegerat (deutscher-pflegerat.de)
- Fachbereich Gesundheit der FH Münster (fh-muenster.de)
- Petition zur Patient:innensicherheit des APS e.V. (bundestag.de)
- Übergabe Folge 150 mit Christel Bienstein - Live vom DPT (verfügbar ab 09.11.)
Diskussion