Unerfüllter Pflegebedarf bei Menschen mit fortgeschrittenem Krebs

#10 | 10.08.2023

Im neuesten Briefing fasst Florian für euch eine Studie zusammen, die die ungedeckten Pflegebedürfnisse von Patient:innen mit Krebs betrachtet. Dabei wird beleuchtet, wieso Krebs als eine chronische Erkrankung gesehen werden sollte und welchen Einfluss dies auf die Bedürfnisse der Betroffenen hat. Zudem wird aufgezeigt, welche Bedürfnisse Patient:innen mit Krebs während ihrer Erkrankung besonders bewegen.

___STEADY_PAYWALL___

Zusammengefasst von

Studien-Charakteristika

  • Autor:innen: Moghaddam, N. et al.
  • Jahr: April 2016
  • Land: Vereinigtes Königreich (UK)
  • Design: Systematisches Review
  • DOI: 10.1007/s00520-016-3221-3

Was war das Ziel der Studie?

Ziel der Studie war es, Spezifische Bedürfnisse zu identifizieren und dabei Bedürfnisse aufzudecken die am häufigsten unbefriedigt bleiben. Außerdem sollen mit der Studie verfügbare Assessmentinstrumente aufgezeigt werden.

Warum ist das wichtig?

Krebs wird noch sehr oft als akute Erkrankung angesehen, dabei ist eine Betrachtung als chronische Erkrankung nach neusten Ergebnissen deutlich zielführender. Mit einer veränderten Betrachtung verändert sich auch der Blick auf die Bedürfnisse der Patient:innen. Diese sind oft abhängig von der Krankheitsphase, in der sie sich grade befinden. Dabei bleiben diese oft ungedeckt. 14-75% aller Krebspatient:innen geben ungedeckte Pflegebedürfnisse an.

Warum hast du diese Studie gewählt?

Krebspatient:innen befinden sich oft in einer sehr vulnerablen Lage. Die Erkrankung ist meist ein schwerer Einschnitt in ihr Leben, und sie haben oft nicht die Kraft oder das Selbstbewusstsein, für ihre Bedürfnisse einzustehen. Dabei haben ungedeckte Pflegebedürfnisse nachweislich einen negativen Effekt auf die Lebensqualität und das Outcome der Betroffenen. In dem Rahmen liegt es dann bei den Pflegefachkräften, diese Bedürfnisse zu erkennen und zu bedienen. Ein Grundverständnis von potenziellen Bedürfnissen, die die Betroffenen erfahren, erscheint dabei zielführend.

Erläuterung des Kernthemas

Betroffene, die an Krebs leiden, haben verschiedene Bedürfnisse. Diese Bedürfnisse umfassen dabei psychische, physische, emotionale, spirituelle, funktionale, soziale und informative Bereiche. Ein großer Teil der Bedürfnisse von Krebspatient:innen bleibt jedoch oft ungedeckt. Besonders oft bleiben dabei psychosoziale, psychologische und informative Bedürfnisse unbedient.

Eine assessmentbasierte Bedürfniserhebung kann dabei unterstützen, Bedürfnisse zu identifizieren und unterstützt eine holistische Fallbetrachtung. Ein wichtiger Punkt dabei ist auch der Perspektivwechsel von Krebs als einer akuten Krankheit darauf, dass Krebs eher als chronische Erkrankung betrachtet werden sollte.

Die Studie hat dabei aufgedeckt, dass eine gezielte Betrachtung der ungedeckten Bedürfnisse der Patient:innen das Outcome dieser verbessern kann.

Was wurde untersucht?

In der systematischen Review wurden 23 Studien gesichtet die die Bedürfnisse von Patient:innen mit Krebs betrachteten. Dabei wurde untersucht, welche Bedürfnisse am häufigsten ungedeckt bleiben und welche Assessmentinstrumente bei der Bedürfnisserhebung verwendet wurden.

Was wurde herausgefunden?

  • Die meisten Studien nutzten eigens entwickelte Instrumente zum Erfassen von ungedeckten Bedürfnissen. Das am häufigsten verwendete Instrument war der SCNS (Supportive Care Needs Survey), wobei jedoch auch oft angepasste Varianten verwendet wurden.
  • Eine rein assessmentsbasierte Bedürfniserhebung lässt oft wichtige Punkte wie beispielsweise die individuelle Relevanz der Bedürfnisse oder die Fähigkeit, sich selbstständig um die Bedürfnisse zu kümmern, außer Acht.
  • Die zusammengefasste Prävalenz der ungedeckten Bedürfnisse war in folgenden Bereichen am höchsten: Information (30-55 %), Psychologie (18-42 %), Körperliche Bedürfnisse (17-48 %) und Funktionale Bedürfnisse (17-37 %).

  • Es gibt oft Unterschiede der Bedürfnisse bei verschiedenen Krebsarten. Generalisierbare ungedeckte Bedürfnisse für alle Krebsarten sind dabei Informationsdefizite, Beschäftigung mit Sorgen/Unsicherheiten, Müdigkeit und Schmerzbewältigung sowie Funktionseinbußen

Wie verlässlich sind die Ergebnisse?

In der Studie ist sehr gut beschrieben, wie die Studien ausgewählt wurden und mit welchen Qualitätskriterien sie untersucht wurden. Es wurden dabei jedoch lediglich englischsprachige Studien ausgewählt. Dennoch ist ein ähnliches Ergebnis auch mit Einbezug von anderssprachigen Studien wahrscheinlich.

Wie lassen sich diese Ergebnisse für die Praxis nutzen?

  • Der Einsatz von Assessment-Instrumenten zur Bedürfniserhebung sollte in den Krankenhäusern umgesetzt werden. Dabei ist jedoch die individuelle Situation des Patienten nicht außer Acht zu lassen.
  • Auf Basis der erfassten Bedürfnisse sollte ein holistischer Versorgungsplan gestaltet werden.

  • Patienten erfahren besonders oft informationelle Bedürfnisse als ungedeckt. In diesem Rahmen sollten ausreichend Beratungsgespräche und Informationsmaterialien angeboten werden.