Notfallmanagement in Pflegeheimen

#4 | 18.05.2023

In dem Projekt NOVELLE wurde die Langzeitpflege in den Fokus genommen.
Hierbei wurde untersucht, wie Notfallsituationen strukturiert werden können, um Krankenhauseinweisungen zu reduzieren. Ein wichtiges Projekt um die Versorgung in Pflegeheimen zu verbessern.

Zusammengefasst von

Studien-Charakteristika

  • Autorin: Sven Schwabe, Jutta Bleidorn, Andreas Günther, Olaf Krause, Nils Schneider & Juliane Poeck
  • Jahr: August 2021
  • Land: Deutschland
  • Design: Qualitative Studie
  • DOI: https://doi.org/10.1007/s00391-021-01958-9

Wichtige Begriffe geklärt

  • qualitative Studie: Forschungsmethode, bei der Daten in Form von Worten, Bildern oder anderen nicht-numerischen Informationen gesammelt und interpretiert werden, um Einblicke in komplexe Phänomene, Meinungen oder Erfahrungen zu gewinnen.
  • Grounded Theory: eine qualitative Forschungsmethode, bei der Theorien direkt aus den Daten entwickelt werden. Dabei werden Daten wiederholt analysiert und Kategorien und Konzepte entwickelt, um eine neue Theorie zu generieren.
  • Fokusgruppeninterview: eine moderierte Gruppendiskussion zu einem bestimmten Thema, bei der Teilnehmer:innen ihre Meinungen und Erfahrungen teilen.

Was war das Ziel der Studie?

Das Ziel besteht darin, die Sicherheit von Pflegefachpersonen im Umgang mit Notfällen zu verbessern und die Selbstbestimmung der Bewohner:innen zu stärken, um unnötige Krankenhauseinweisungen zu verringern. Im Rahmen eines Teilprojekts wurde eine Empfehlung entwickelt, die Pflegefachpersonen dabei unterstützt, das Notfallmanagement in Pflegeeinrichtungen zu strukturieren und zu verbessern.

Warum ist das wichtig?

In Deutschland leben mehr als 800.000 Menschen in Pflegeheimen. Diese Menschen werden oft von Rettungsdiensten ins Krankenhaus gebracht, obwohl dies aus medizinischer Sicht in vielen Fällen vermeidbar wäre. Eine Krankenhauseinweisung bedeutet eine Unterbrechung der kontinuierlichen Pflege, was besonders für die meist vulnerablen Bewohner:innen ein erhöhtes Risiko für ein Delir, nosokomiale Infektionen und eine erhöhte Morbidität bedeutet. Insgesamt geht eine Krankenhauseinweisung auch mit einer Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes einher.
Pflegende müssen die Erstversorgung leisten, über die weitere Versorgung entscheiden und gleichzeitig die Betreuung der gesamten Einrichtung aufrechterhalten. Aufgrund der Angst vor rechtlichen Konsequenzen rufen Pflegefachpersonen oft den Rettungsdienst.

Warum hast du diese Studie gewählt?

Da ich selbst lange in der Langzeitpflege tätig gewesen bin, kenne ich die Herausforderungen und Unsicherheiten in Notfallsituationen und hätte mir eine klare Struktur in solchen Situationen gewünscht. Darüber hinaus sind die entstehenden Probleme bei Bewohner:innen durch eine unzureichende Notfallversorgung besonders groß. Sofern mit einer besseren Organisation auch Krankenhauseinweisungen reduziert werden können, ist das sinnvoll für die Gesundheitsversorgung insgesamt und reduziert die Komplikationen bei Bewohner:innen.

Was wurde untersucht?

Mittels Interviews (sechs Fokusgruppen-Interviews und ein Einzelinterview) von 25 Personen wurde untersucht, wie die Strukturierung des Notfallmanagements in Pflegeeinrichtungen besser gelingen kann. Dabei wurde bei der Auswertung die Grounded-Theory-Method gewählt.

Was wurde herausgefunden?

  • Die Datenanalyse zeigt, dass eine Musterempfehlung aus den Ergebnissen abgeleitet und in einem Algorithmus überführt werden kann.
  • Die Struktur des Notfallmanagements in Pflegeeinrichtungen lassen sich in drei Bausteinen gliedern:
    • Ersteinschätzung
    • Assessment
    • Organisation der Weiterversorgung

Alle Bausteine beinhalten spezifische Maßnahmen und Ergebnisse

Wie verlässlich sind die Ergebnisse?

Es wurden nur Pflegefachpersonen und Ärztinnen einbezogen, obwohl auch andere Berufsgruppen in den Einrichtungen arbeiten. Die Ergebnisse können nicht einfach auf diese anderen Berufsgruppen übertragen werden.
Die Teilnehmenden der Studie wurden gezielt ausgewählt, indem Personen kontaktiert wurden, die bereits am NOVELLE-Projekt beteiligt waren. Es besteht die Möglichkeit, dass besonders engagierte Teilnehmer:innen bevorzugt wurden.

Wie lassen sich diese Ergebnisse für die Praxis nutzen?

  • Die Notfallbearbeitung in Pflegeeinrichtungen erfolgt in drei Phasen: Ersteinschätzung, Assessment und Organisation der Weiterversorgung.
  • Die Handlungsempfehlung bietet Pflegefachpersonen Unterstützung bei Reflexion, Entscheidungsfindung und Dokumentation der Handlungsschritte.
  • Die Musterhandlungsempfehlung ermöglicht die Integration von Wünschen in das systematische Notfallmanagement.
  • Die Empfehlung hilft Pflegefachpersonen, strukturelle Defizite zu erkennen und alternative Lösungen zu finden.
  • Die Empfehlung wurde in Zusammenarbeit mit Ärzt:innen, Pflegefachpersonen, Leitungspersonal und Wissenschaftler:innen entwickelt, um die Handlungssicherheit von Pflegefachpersonen in Notfallsituationen zu verbessern.