Gründe für Fixierungen im Krankenhaus

#12 | 07.09.2023

Mit diesem Briefing bekommst Du die Ergebnisse einer multizentrischen Querschnittsstudie in der Schweiz und Österreich, die die Anwendung von Fixierungen in Krankenhäusern untersucht. Dabei werden die verschiedene Faktoren zur Verwendung von Fixierungen aufgezeigt und welche Schlüsse gezogen werden können, um die Qualität der Versorgung zu verbessern.

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Zusammengefasst von

Studien-Charakteristika

  • Autor:innen: Silvia Thomann, Sandra Zwakhalen, Dirk Richter, Silvia Bauer, Sabine Hahn
  • Jahr: Oktober 2020
  • Land: Österreich & Schweiz
  • Design: Multizentrische Querschnittstudie
  • DOI: https://doi.org/10.1016/j.ijnurstu.2020.103807

Was war das Ziel der Studie?

In dieser Studie wurde untersucht, wie oft und aus welchen Gründen mechanische Fixierungen in Akutkrankenhäusern verwendet werden. Außerdem wurde erforscht, welche Eigenschaften die Patient:innen haben, die diese mechanischen Fixierungen erleben.

Warum ist das wichtig?

Im Krankenhausumfeld gibt es weltweit wenig Informationen über die Verwendung von Fixierungen. Trotzdem werden Fixierungen aus verschiedenen Gründen in Krankenhäusern eingesetzt. Um sicherzustellen, dass Fixierungen in diesem Umfeld so wenig wie möglich verwendet werden, ist es wichtig, Informationen zu sammeln, um Qualitätsverbesserungsansätze zu entwickeln.

Erläuterung des Kernthemas

Die Gründe für die Verwendung von Fixierungen sind bereits untersucht worden, wobei die Motive in Krankenhäusern und Langzeitpflegeeinrichtungen ähnlich sind.. Die häufigsten Gründe waren die Patient:innenensicherheit (insbesondere zur Verhinderung von Stürzen), kognitive Beeinträchtigungen und insbesondere im Krankenhausumfeld die Verhinderung von Therapieunterbrechungen. Allerdings ist bekannt, dass Fixierungen keinen oder sogar einen negativen Einfluss auf die Patient:innenensicherheit, die Sturzprävention und die Selbstextubation haben. Um den Einsatz von Fixierungen im Krankenhausumfeld so weit wie möglich zu reduzieren, ist es wichtig, Vorhersagen für ihre Verwendung treffen zu können, sodass gefährdete Patient:innen identifiziert werden und damit das Bewusstsein der Pflegefachpersonen zu schärfen.

Was wurde untersucht?

Die Studie sammelte Daten (n=29.477 in 140 Krankenhäusern) zur Verwendung von Fixierungen in Krankenhäusern in der Schweiz und Österreich mittels eines cross-sectional multi-centre designs.

Mittels des LPZ 2.0-Instruments wurden an drei Messzeitpunkten Daten zum Alter, Geschlecht, chirurgische Eingriffe in den letzten zwei Wochen, Aufenthaltsdauer seit der Krankenhausaufnahme, Diagnosen und die Pflegeabhängigkeit (Care Dependency Scale (CDS)) erhoben. Darüber hinaus wurden Kriterien zur Bewertung von Patient:innen erhoben, die fixiert gewesen sind:

  • Art der angewendeten Fixierung (mechanisch, elektronisch, pharmakologisch, physisch usw.)
  • Hauptgrund für die Anwendung von Restriktionen (Verhinderung von Stürzen, aggressivem Verhalten usw.)
  • Prozessindikatoren für die Fixierungen (Dokumentation, Nutzung von Alternativen usw.).

Was wurde herausgefunden?

  • 35,8% hatten in den beiden Wochen vor der Datensammlung eine chirurgische Intervention.
  • Das Durchschnittsalter betrug 70 Jahre, die durchschnittliche Aufenthaltsdauer im Krankenhaus seit der Aufnahme betrug 5 Tage, und der durchschnittliche Score des CDS lag bei 71, was darauf hinweist, dass die meisten Patienten in ihrer Pflege völlig unabhängig waren.

Art der Fixierung

  • Prävalenzrate von Patient:innen mit mindestens einer Fixierung innerhalb von 30 Tagen betrug 8,7% (Schweiz 10,6%, Österreich 4,6%).
  • Mechanische Methoden waren die am häufigsten verwendete Art der Fixierung (55,0%), wobei Bettseitenteile am häufigsten genannt wurden (86,7%).
  • Neben mechanischen Methoden wurden auch elektronische (33,2%) und pharmakologische (24,6%) Methoden.

Gründe für die Fixierung

  • Hauptursache war die Vorbeugung von Stürzen (43,8%), gefolgt von Verwirrung oder delirantem Verhalten (20,4%).
  • In Österreich war die Anwendung von Fixierung durch Patient:innen- oder Familienwunsch häufiger als in der Schweiz.

Prozessindikatoren

  • Insgesamt wurden Fixierungen für 64,3% der betroffenen Patient:innen dokumentiert .
  • In 51,0% der Fälle wurden der Patient:in und/oder die rechtlichen Vertreter über den gesamten Prozess der Fixierung informiert.
  • In 42,1% der Fälle war während jeder Schicht jemand für die Überwachung des/der fixierten Patient:in verantwortlich.
  • Alternativen zur Minimierung von Fixierungen (zum Beispiel zur Verhinderung eines Delirs) wurden in 37,1%  der Fälle eingesetzt.

Betroffene Patient:innen

  • stärkste Verbindung zur Anwendung von Fixierungen wurden bei der Pflegeabhängigkeit festgestellt. Vollständig pflegeabhängige Patienten hatten ein 25-fach höheres Risiko, während ihres Krankenhausaufenthalts Fixierungen zu erleben, im Vergleich zu vollständig unabhängigen Patienten.
  • Personen mit psychischen und Verhaltensstörungen waren am meisten gefährdet für Fixierungen.
  • Weibliches Geschlecht, Erkrankungen des Verdauungssystems und Erkrankungen des Bewegungsapparates und des Bindegewebes waren risikoreduzierende Variablen für Fixierungen.
  • In der Schweiz war das Risiko für Fixierungen 2,23-mal höher.

Wie verlässlich sind die Ergebnisse?

Die Ausschlusskriterien für Patient:innen, die keine informierte Einwilligung geben konnten, könnten zu einer Verzerrung der Ergebnisse führen und die Prävalenz von Fixierungen verzerren. Da die Daten retrospektiv erhoben wurden und die Dokumentation nicht in allen Fällen verfügbar war, besteht die Möglichkeit einer Dokumentationsverzerrung. Auswahl der Es ist möglich, dass nur Krankenhäuser, die bereits Anstrengungen zur Reduktion von Fixierungen unternommen haben, an der Studie teilgenommen haben, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse einschränken könnte. Das Querschnittsdesign der Studie ermöglicht keine klare Bestimmung von Ursache-Wirkungs-Beziehungen zwischen den untersuchten Variablen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ergebnisse dieser Studie aufgrund der großen Stichprobengröße und der standardisierten Datenerfassung tendenziell zuverlässig sind.

Wie lassen sich diese Ergebnisse für die Praxis nutzen?

  • Patient:innen mit einem hohen Pflegebedarf haben ein hohes Risiko für Fixierungen
  • Sturzgefährdete Patient:innen, sowie verwirrte Personen und Patient:innen mit einem Delir werden häufiger fixiert. Die Anwendung von Assessments zu diesen Phänomenen können helfen, die Risiken sichtbar zu machen und Fixierungen zu vermeiden
  • Alternativen für Fixierungen sollten vermehrt eingezogen und im Team besprochen werden
  • Aufklärung der Angehörigen zu den Folgen von Fixierungen können Fixieungsmaßnahmen reduzieren