Worum gehts?
Pflegebedürftige mit chronischer Herzinsuffizienz oder Nierenersatztherapie leiden häufig unter starkem Durst, der ihre Lebensqualität erheblich beeinträchtigen kann. Diese systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse untersucht, welche nicht-pharmakologischen Maßnahmen nachweislich das Durstempfinden reduzieren können. Die Ergebnisse liefern erste Hinweise darauf, welche Interventionen hilfreich sein könnten und welche weniger wirksam sind.
Was war das Ziel der Studie?
Ziel der systematischen Übersichtsarbeit und Metaanalyse war die Identifizierung von nicht-pharmakologischen Maßnahmen zur Verringerung des Durstes bei Pflegebedürftigen mit Herzinsuffizienz und/oder einer Nierenersatztherapie (Hämodialyse), die Beschreibung der Maßnahmenbestandteile und die Bewertung derselben.
Warum ist das wichtig?
Pflegebedürftige Personen mit einer chronischen Herzinsuffizienz oder einer dialysepflichtigen Niereninsuffizienz haben eine Vielzahl an belastenden Symptomen, zu denen vor allem auch das Durstempfinden gehört. Die Ursache ist im Krankheitsbild selbst, aber auch in der Therapie in unterschiedlichen Settings begründet. Überdies können Pflegebedürftige mit einer chronischen Herzinsuffizienz auch eine Niereninsuffizienz entwickeln. Aus diesem Grund ist es sinnvoll, beide Krankheitsbilder im Zusammenhang mit dem Symptom Durst gemeinsam zu betrachten. Für Pflegefachpersonen und dem interdisziplinären Team in der Versorgung stellt das Symptom Durst ebenfalls eine Herausforderung dar. Pflegefachpersonen sind im Rahmen der Versorgung rund um die Uhr die direkten Ansprechpersonen für die Pflegebedürftigen und werden in diesem Zusammenhang auch mit dem Symptom Durst konfrontiert. Hier stellt sich die Frage, welche nicht-pharmakologischen Maßnahmen evidenzbasiert in der Symptombehandlung unterstützen können.
Warum habt ihr diese Studie gewählt?
Wir sind Pflegefachpersonen im Herz- und Diabeteszentrum NRW, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum sowie Medizinische Fakultät OWL (Universität Bielefeld). Im Team der Pflegedirektion sind wir zuständig für die Pflegeentwicklung auf den bettenführenden Stationen. Aufgrund des klinischen Versorgungsschwerpunktes mit Herz-, Kreislauf- und Diabeteserkrankungen werden wir oft mit dem Symptom Durst konfrontiert. Aus diesem Grund und einem parallelen Forschungsprojekt entstand der Impuls, eine systematische Übersichtsarbeit zu initiieren.
Die Autor:innen dieses Briefings
Pflegewissenschaftlerin
Gesundheits- und Krankenpflegerin
Stabsstelle Pflegeentwicklung
Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, Bad Oeynhausen
Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
Medizinische Fakultät OWL (Universität Bielefeld)

Gesundheits- und Pflegewissenschaftler
Fachgesundheits- und Krankenpfleger für Intensivpflege und Anästhesie
Praxisanleiter
Stabsstelle Projekt- und Wissensmanagement/Pflegeentwicklung Intensivpflege
Herz- und Diabeteszentrum Nordrhein-Westfalen, Bad Oeynhausen
Universitätsklinik der Ruhr-Universität Bochum
Medizinische Fakultät OWL (Universität Bielefeld)
Was wurde untersucht?
In den wissenschaftlichen Datenbanken MEDLINE via PubMed, Livivo, CINAHL, Cochrane Library und Web of Science wurde anhand eines vorab entwickelten Suchstrangs eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Dazu gehörten vor allem die Begriffe Durst‚ chronische Herzinsuffizienz und Hämodialyse. Die Recherchestrategie wurde in der Publikation transparent abgebildet. Randomisiert kontrollierte Studien, quasi-randomisiert kontrollierte Studien und quasi-experimentelle Studien wurden eingeschlossen, sofern diese auf Englisch, Deutsch oder Schwedisch verfasst wurden. Meinungen von Menschen mit Expertise, Konferenzbeiträge, Fallberichte und Studien, die ausschließlich Xerostomie (Mundtrockenheit) fokussierten, wurden ausgeschlossen. Mithilfe eines gesonderten Programms (Covidence) erfolgte nach Ausschluss von 1581 Duplikaten die Sichtung von 863 Titeln und Zusammenfassungen. Insgesamt 176 Volltexte wurden gelesen, von denen 15 in die Arbeit eingeschlossen werden konnten. Ergänzend erfolgte eine kritische Beurteilung der eingeschlossenen Volltexte durch zwei Personen mit dem Überprüfungsinstrument des Joanna Briggs Institutes oder dem Cochrane Risk of Bias Instrument. Zur Metaanalyse wurde der Review Manager (RevMan) eingesetzt.
Was wurde herausgefunden?
Die eingeschlossenen Studien wurden zwischen 2005 und 2023 veröffentlicht und fanden in den Ländern Australien, Ägypten, China, Indien, Indonesien, Iran, Italien, Niederlande, Philippinen, Polen, Taiwan, Türkei und in den USA statt. Zur Messung des Durstempfindens kamen unter anderem die Dialysis Thirst Inventory (DTI; 0=nicht durstig; 25=sehr oft durstig) und Visuelle Analogskala (VAS); 0-100mm; 0=kein Durst; 100=sehr durstig) zum Einsatz. Als nicht-pharmakologische Interventionen wurden das Kaugummikauen, eine salzarme Ernährung, Akkupunktur, gefrorene Erdbeeren, ein Flüssigkeitszeitplan, gefrorene Eiswürfel und Mundspülung mit Wasser sowie eine psychologische Intervention untersucht. Insgesamt gab es heterogene Ergebnisse bei der Intervention Kaugummikauen, und die durchgeführte Metaanalyse konnte keinen statistisch signifikanten Effekt, aber dennoch den Hinweis auf ein reduziertes Durstempfinden durch das Kaugummikauen aufzeigen. Zwei Studien adressierten den Einsatz einer salzarmen Ernährung und kamen zu jeweils unterschiedlichen Ergebnissen. Der Einsatz einer Akupunktur wurde innerhalb einer Studie untersucht und konnte keinen statistisch signifikanten Vorteil aufzeigen, während der Einsatz von gefrorenen Erdbeeren, eines Flüssigkeitszeitplans sowie von Eiswürfeln und der Mundspülung innerhalb jeweils einer Studie einen statistisch signifikanten positiven Effekt zur Durstreduktion erzielte. Die psychologische Intervention hatte keinen statistisch signifikanten positiven Effekt auf die Durstreduktion.
Wie verlässlich sind die Ergebnisse?
Die Qualität der eingeschlossenen Studien war nach Überprüfung mäßig bis gering. Dennoch wurden diese aufgrund fehlender aussagekräftiger Studien miteingeschlossen. Beispielsweise variierten die Stichprobengrößen der in den Studien eingeschlossenen Teilnehmenden stark, und die Berichterstattung folgte nicht durchgehend den internationalen Empfehlungen und war dadurch nicht immer transparent. In der Hauptveröffentlichung stellt eine Übersichtsgrafik die Qualität anhand der eingesetzten Beurteilungsinstrumente transparent und detailliert dar.
Wie lassen sich diese Ergebnisse für die Praxis nutzen?
Die meisten der eingeschlossenen Studien untersuchten das Kaugummikauen von Pflegebedürftigen mit einer chronischen Herzinsuffizienz oder Niereninsuffizienz. Die chronische Herzinsuffizienz war dabei insgesamt unterrepräsentiert, da hierzu nur zwei Interventionsstudien ausfindig gemacht werden konnten. Die Ergebnisse sind dennoch hilfreich, wichtig und können insgesamt in der Praxis umgesetzt, jedoch nicht pauschal auf alle Pflegebedürftigen übertragen werden. Hierzu erfordert es immer eine individuelle (Sozial)-Anamnese und individuelle Planung und Umsetzung der Maßnahmen. Beispielsweise wurde der Einsatz von Kaugummis häufig untersucht - hierzu stellt sich jedoch die Frage, ob dies die Intervention der Wahl bei einem vorliegenden Zahnersatz oder im fortgeschrittenen Alter ist? Daher sollte gleichermaßen eine (pflegerische) Beratung angeknüpft werden, welche die spezifischen Bedürfnisse der Pflegebedürftigen in Zusammenhang mit dem Durstempfinden berücksichtigt. Insgesamt sollte regelmäßig ein Assessmentinstrument wie z. B. die VAS eingesetzt werden, um das Durstempfinden der Pflegebedürftigen transparent darzustellen.
Studien-Charakteristika
Jahr: 2024
Land: Deutschland
Design: systematische Übersichtsarbeit und Metaanalyse
DOI: https://doi.org/10.1016/j.hrtlng.2024.04.012
Weiterführende Literatur
Waldreus, N., Hahn, R. G., & Jaarsma, T. (2013). Thirst in heart failure: a systematic literature review. European Journal of Heart Failure, 15(2), 141-149. https://doi.org/10.1093/eurjhf/hfs174
Wefer, F., Möhler, R., Dichter, M. N., Mühring, A., Gummert, J., & Köpke, S. (2024). Nurse-based counselling on thirst in patients with advanced chronic heart failure: Study protocol for a pilot before-after study and process evaluation. Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin, 119(2), 147-153. https://doi.org/10.1007/s00063-023-01091-y
Wefer, F., Krüger, L., Hermes, C., Nydahl, P., Mehler-Klamt, A., Henck, A., Ufelmann, M., Tewesmeier, J., Gummert, J., & Köpke, S. (2025). Handlungsalgorithmus: Durstmanagement von kritisch kranken Personen ohne künstlichen Atemweg. Medizinische Klinik - Intensivmedizin und Notfallmedizin. https://doi.org/10.1007/s00063-025-01251-2
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