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#50 | 26.09.2024

Worum geht's?

Das Kernthema der Studie ist die Analyse der Kompetenzen, die Pflegefachpersonen für eine effektive akute Wundversorgung benötigen. Es werden zwei Hauptkompetenzbereiche hervorgehoben: (1) Wissen, Fähigkeiten und Leistung in der Ätiologie und Versorgung akuter Wunden und (2) Wundmanagement und -bewertung. Diese Bereiche umfassen spezifische Kenntnisse über Wundheilung, Asepsis und die Nutzung von Wundprodukten sowie die Haltung und Werte der Pflegefachpersonen, wie Respekt vor der Autonomie der Patient:innen und die Förderung einer ganzheitlichen Versorgung.

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In Deutschland werden jährlich etwa 800.000 Menschen mit einer chronischen Wunde medizinisch behandelt. Die häufigsten Wundtypen umfassen das Ulcus cruris (offenes Bein), das diabetische Fußsyndrom und Dekubitus (Druckgeschwüre). Die Behandlung dieser Wunden stellt das Gesundheitssystem vor erhebliche Herausforderungen, nicht nur aufgrund der gesundheitlichen Komplexität, sondern auch aufgrund der damit verbundenen hohen Kosten, die jährlich mehrere Milliarden Euro ausmachen

Was war das Ziel der Studie?

Das Ziel der Studie war es, die allgemeinen Kompetenzbereiche von Pflegefachpersonen in der akuten Wundversorgung zu identifizieren, um diese Kompetenzen in der Ausbildung und Weiterbildung zu integrieren. Dies soll dazu beitragen, eine strukturierte und standardisierte Wundversorgung sicherzustellen.

Warum ist das wichtig?

Akute Wunden sind eine häufige Herausforderung in verschiedenen Pflegebereichen, von der Notfallversorgung bis hin zur Langzeitpflege. Pflegefachkräfte spielen eine entscheidende Rolle bei der Wundbehandlung und -prävention, doch frühere Studien zeigen, dass es an Konsistenz und standardisierten Kompetenzanforderungen fehlt. Eine verbesserte Ausbildung in der Wundversorgung könnte nicht nur die Heilungschancen der Patient:innen verbessern, sondern auch chronische Wunden verhindern

Warum hast du diese Studie gewählt?

Die Studie bietet wertvolle Einblicke in die Kompetenzanforderungen von Pflegefachpersonen in der akuten Wundversorgung, einem entscheidenden Bereich der Gesundheitsversorgung, der oft vernachlässigt wird. Da Wunden häufig in unterschiedlichen Pflegekontexten auftreten, von der Notfallmedizin bis hin zur Langzeitpflege, ist es essenziell, dass Pflegefachpersonen über fundiertes Wissen, praktische Fähigkeiten und die richtigen Einstellungen verfügen, um die bestmögliche Pflege zu gewährleisten. Die Studie liefert detaillierte und praxisnahe Empfehlungen, wie diese Kompetenzen in der Pflegeausbildung und -fortbildung verankert werden können, was nicht nur die Qualität der Patientenversorgung verbessert, sondern auch die Konsistenz in der Behandlung akuter Wunden sicherstellt. Insbesondere für Fachleute in der Pflegepädagogik, Ausbildungsverantwortliche und politische Entscheidungsträger:innen im Gesundheitswesen ist die Studie eine wertvolle Ressource, um die Ausbildung im Bereich Wundversorgung zu optimieren und den wachsenden Herausforderungen der Wundbehandlung gerecht zu werden.

Was wurde untersucht?

Die Methodik der Studie basiert auf einer qualitativen Analyse von Fokusgruppeninterviews mit 20 Teilnehmenden, darunter Pflegefachpersonen, weitergebildete Wundpflegefachpersonen, Pflegepädagog:innen und Ärzt:innen. Die Daten wurden durch semi-strukturierte Interviews gesammelt und mittels einer zweistufigen induktiv-deduktiven Inhaltsanalyse ausgewertet. Dabei wurden die Kompetenzanforderungen in zwei Hauptkategorien unterteilt: Fachwissen über Wundarten wie chirurgische und traumatische Wunden, sowie Fähigkeiten in der Wundversorgung und im Wundmanagement. Die Studie untersuchte zudem die Werte und Einstellungen der Pflegefachpersonen, wie zum Beispiel den Respekt vor der Privatsphäre der Patient:innen und die ökonomischen Aspekte der Wundversorgung.

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Die induktiv-deduktive Inhaltsanalyse ist eine Methode zur systematischen Untersuchung von Daten, bei der induktive und deduktive Ansätze kombiniert werden. Zunächst erfolgt die induktive Analyse, bei der Kategorien und Muster aus den Daten selbst heraus entwickelt werden. Dies geschieht ohne vorgefertigte Theorien oder Annahmen, was es ermöglicht, neue Einsichten direkt aus dem Material zu gewinnen. Im nächsten Schritt wird der deduktive Ansatz angewendet, bei dem bestehende Theorien oder Kategorien genutzt werden, um die Daten zu überprüfen und zu sehen, ob sie mit bekannten Konzepten übereinstimmen. Dadurch können die neu gewonnenen Erkenntnisse in bestehende theoretische Rahmen eingeordnet oder diese erweitert werden. Diese Methode ist besonders nützlich, um sowohl neue Theorien zu entwickeln als auch vorhandene Theorien zu validieren oder zu modifizieren.

Was wurde herausgefunden?

Die Studie identifiziert zwei Hauptkompetenzbereiche für Pflegefachpersonen in der akuten Wundversorgung:

Zum einen das Wissen, die Fähigkeiten und die Leistung in der Ätiologie und Versorgung von akuten Wunden. Pflegefachpersonen müssen ein grundlegendes Verständnis über verschiedene Arten akuter Wunden wie chirurgische Wunden, traumatische Wunden, Verbrennungen und Erfrierungen haben. Sie sollten in der Lage sein, die richtige Erstversorgung für jede Wundart durchzuführen, zum Beispiel eine sterile oder saubere Technik bei chirurgischen Wunden anzuwenden, eine Wunde korrekt zu reinigen und die Notwendigkeit von Antibiotika oder Tetanus-Impfungen bei traumatischen Wunden zu erkennen. Wichtig ist auch das Wissen darüber, wie lange eine sterile Technik bei chirurgischen Wunden anzuwenden ist und wann es sicher ist, Nähte oder Klammern zu entfernen.

Der zweite zentrale Kompetenzbereich ist das Wundmanagement und die Wundbewertung. Pflegefachpersonen müssen in der Lage sein, den Heilungsprozess von Wunden zu überwachen und zu bewerten. Dazu gehört die Fähigkeit, zwischen normalen Entzündungsphasen und Anzeichen einer Wundinfektion zu unterscheiden. Die korrekte Verwendung von Wundpflegeprodukten und -auflagen sowie das Wissen über aseptische Techniken sind ebenfalls entscheidend. Hierzu gehört auch der richtige Einsatz von Schutzausrüstung wie Gesichtsmasken und Handschuhen, um sowohl den Patient:innen als auch sich selbst vor Infektionen zu schützen. Darüber hinaus spielen die Wunddokumentation und die Aufklärung der Patient:innen eine wichtige Rolle. Pflegefachpersonen müssen detaillierte Wundbeschreibungen und Pflegepläne dokumentieren sowie den Patient:innen klare Anweisungen zur Selbstversorgung geben.

Neben diesen fachlichen Kompetenzen betont die Studie auch die Bedeutung der richtigen Werte und Einstellungen. Pflegefachpersonen sollten den Respekt vor der Autonomie und Privatsphäre der Patient:innen wahren und eine ganzheitliche Pflegeperspektive einnehmen. Dies bedeutet, dass nicht nur die Wunde, sondern die Patient:innen als Ganzes betrachtet werden müssen. Professionalität ist im Umgang mit Patient:innen entscheidend, insbesondere in herausfordernden Situationen wie bei Patient:innen mit psychischen Erkrankungen oder selbstverletzendem Verhalten. Darüber hinaus sollten Pflegefachpersonen auch die ökonomischen Aspekte der Wundversorgung im Blick behalten, insbesondere in Fällen, in denen die Patient:innen die Kosten für Verbandsmaterial selbst tragen müssen.

Wie verlässlich sind die Ergebnisse?

Die Evidenz der Studie basiert auf einer qualitativen Analyse von Fokusgruppeninterviews. Diese Methode liefert wertvolle Einblicke in die subjektiven Erfahrungen und das Fachwissen von Fachleuten, die direkt in die Wundversorgung eingebunden sind. Da qualitative Studien auf Meinungen und Erfahrungsberichten basieren, können die Ergebnisse nicht direkt auf andere Kontexte oder Länder übertragen werden. Dennoch weist die Studie darauf hin, dass die Pflegeausbildung in Finnland an europäische Standards angelehnt ist, sodass die Erkenntnisse auch für andere europäische Länder relevant sein könnten. Ein wichtiger Aspekt der Studie ist die Verwendung von induktiver und deduktiver Inhaltsanalyse, um systematisch die verschiedenen Kompetenzbereiche zu identifizieren. Diese analytische Methode trägt dazu bei, die Verlässlichkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, indem sie sowohl die spezifischen Aussagen der Teilnehmenden als auch bestehende theoretische Konzepte berücksichtigt. Zusätzlich wurde durch "Member Checking" sichergestellt, dass die Interpretationen der Daten den tatsächlichen Aussagen der Teilnehmenden entsprechen. Einige Einschränkungen bestehen jedoch, insbesondere in Bezug auf die Stichprobengröße und die geografische Begrenzung auf Finnland. Auch die Tatsache, dass die Interviews online stattfanden, könnte die Tiefe der Diskussionen beeinflusst haben. Trotz dieser Einschränkungen bieten die Ergebnisse wertvolle Erkenntnisse, die auf evidenzbasierten Prinzipien beruhen und eine solide Grundlage für die Verbesserung der Wundversorgung und -ausbildung darstellen.

Wie lassen sich diese Ergebnisse für die Praxis nutzen?

  • Die identifizierten Kompetenzbereiche sollten in die Lehrpläne von Pflegeausbildungen aufgenommen werden, um die Wundversorgung als Kernelement der Pflegepraxis zu etablieren.
  • Pflegefachpersonen sollten regelmäßig in den neuesten Standards der Wundversorgung geschult werden, um ihre Fähigkeiten zu aktualisieren und zu verbessern.
  • Es sollten standardisierte Leitlinien entwickelt werden, die die spezifischen Kompetenzen von Pflegefachpersonen in der Wundversorgung festlegen.
  • Die Studie hebt die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit zwischen Pflegefachpersonen, Ärzt:innen und anderen Gesundheitsberufen hervor, um eine umfassende Wundversorgung sicherzustellen.
  • Pflegefachpersonen sollten geschult werden, um Patient:innen angemessen über ihre Wunden und die notwendige Nachsorge zu informieren, um die Heilungschancen zu maximieren und das Risiko chronischer Wunden zu verringern.

Studien-Charakteristika

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Autor:innen: Emilia Kielo-Viljamaaa, Riitta Suhonen, Leena Jalonen, Minna Stolt
Jahr: 2022
Land: Finnland
Design: Qualitative Fokusgruppen Interview
DOI: https://doi.org/10.1016/j.colegn.2021.04.003